Herkunft des Klinger/WIK-Modellbau Hubschraubers "BO 105"
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Anfrage:

Sehr geehrter Herr Schlüter,
seit 1972 bin ich ein großer Fan von Ihren RC-Hubschrauberkonstruktionen und jetzt habe ich eine ganz spezielle, geschichtliche Frage, die eigentlich nur Sie beantworten können: Es muß so um 1973 gewesen sein, als Wilfried Klinger (WIK-Modellbau in Knittlingen) eine BO105 vertrieben hat. Diese BO 105 wurde mit einem anderen, drehzahlgesteuerten Rotorkopf und auch einer anderen Motorkupplung geliefert. Alle anderen Bauteile waren Original Schlüter Teile.
Jetzt die brennende Frage: Wie kam Wilfried Klinger zu diesen anderen Teilen? Wer hat sie konstruiert und hergestellt? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir darauf eine Antwort geben könnten.
Mit freundlichen Grüßen...

Meine Antwort:

Die Herkunft der Klinger-BO 105 basiert auf einer delikaten Vorgeschichte:

Ende 1971 hatte ich so viele Bestellungen der Bell-Huey-Cobra im Haus, dass meine Hobbywerkstatt völlig überfordert war. Also suchte ich nach einer externen Herstellungsmöglichkeit und einer Firma für den Vertrieb. Graupner war nicht interessiert, Simprop wollte mit Kavan eigene Wege gehen, also wandte ich mich an die damals populäre Firma Schuco-Hegi. Anfang 1972 war ich mit Hegi einig: Die Mechanik sollte von einer Fa. Bernhard (fertigte damals Motore für Hegi) hergestellt werden. Bernhard erhielt alle meine Zeichnungen und Pläne und weil der militärischen Huey-Cobra möglichst bald eine zivile Heli-Variante folgen sollte, wurden von mir auch erste Entwürfe für eine Bell 212 und eine BO 105 angefertigt und diskutiert. Bernhard wollte dann überraschend doch nicht selbst fertigen, hatte seinerseits eine ihm bekannte Fa. Meindl in Süddeutschland eingeschaltet und alle Unterlagen nach dort gegeben. Daraufhin wurde mit Hegi vereinbart, dass die Mechanik-Herstellung bei Meindl unter meiner Regie läuft und über mich an Hegi geliefert und berechnet wird. Das klappte prima, wir konnten gut verkaufen, ein neuer Weltmarkt war geboren.

Zur Spielwarenmesse Februar 1973 kamen dann zwei große Überraschungen: 1.) Graupner brachte einen von Fa. Bernhard (!) produzierten Modellhubschrauber Bell 212 auf den Markt. Diese Bell 212 hatte deutliche Merkmale des von mir etwa ein Jahr zuvor bei Bernhard skizzierten Modelles und meines 1970 zum Patent angemeldeten Rotorkopfes. (Siehe Zusatzinfo unten)
2.) Zur gleichen Zeit stoppte Meindl seine Lieferungen an mich und versuchte, an mir vorbei an Hegi direkt zu liefern. Genau genommen wollte man mich praktisch ausbremsen und aus dem Geschäft drängen.

Nicht mit mir!

Was 1.) Graupner/Bernhard/Bell 212 angeht, kam es nach kurzen Verhandlungen relativ friedlich durch Zahlung einer Lizenz- und Ablösesumme zur Einigung.

Was 2.) Meindl betraf war es weit schwieriger: Ich hatte von Hegi Bestellungen für einige tausend Bausätze bekommen und angenommen. Da mich Meindl hängen ließ war ich gezwungen, innerhalb kürzester Frist einen eigenen Betrieb aus dem Boden zu stampfen und neue Lieferanten zu finden. Das gelang mir auch und ich konnte an Hegi fristgerecht liefern. Damit war Meindl für Hegi und mich out. Daraufhin verklagte mich Meindl auf Warenabnahme und Schadenersatz. Das Urteil: Kein Schadenersatz, keine Warenabnahme, Meindl muss aber die bei ihm vorhandenen Teile nicht verschrotten sondern kann sie anderweitig verwerten.

Meindl stellte dann aus den ursprünglich für mich gedachten Teilen Bausätze zusammen, ergänzte sie mit selbst entworfenen Teilen (Kupplung, Rotorteile) und verkaufte sie Wilfried Klinger, der dazu den Rumpf der "Bo 105" herstellte. Wilfried Klinger (WIK-Modellbau Knittlingen) erbat mein Einverständnis und bekam es.

Das ist die ganze Story.

Zusatzinfo:
Meine Anfang 1972 mit Bernhard in seinem Betrieb in Metten besprochenen Entwürfe für einen zivilen Heli sahen eine offene Mechanik mit einstufigem Kegelradgetriebe und einem vor der Mechanik stehenden Motor mit eigener Kühlung vor. Der Heckantrieb sollte mit einem handelsüblichen, 1 Meter langen 1,5mm-Stahldraht erfolgen. Versehentlich hatte ich in meinem Entwurf aber 1.030mm Drahtlänge eingezeichnet. Bernhard übernahm diesen Irrtum und alle Besitzer einer Graupner Bell 212 waren damals sauer, dass es im Handel nur 1m langen Draht gab. (Und für mich war klar, dass mein Plan benutzt worden war)

Nachwort:
Wenn ich das hier schreibe, fallen mir eine Unmenge anderer Begebenheiten ein die damals eigentlich alle irgendwie darauf hinaus liefen, zwar meine Entwürfe zu benutzen, ansonsten mich aber aus dem Geschäft zu drängen.
Es war schon erstaunlich: Anfangs winkten alle ab: Zu kompliziert, zu teuer, geht ja doch nicht richtig, etwas für ein paar Spezialisten usw. Erst als die Sache Formen annahm, offenbar richtig Geld damit zu verdienen war und ein Herr Oki aus Japan die Firma KALT gründete und dafür eine Exclusiv-Lizenz für Japan bei mir erwarb, da krempelten einige deutsche Firmen die Ärmel auf. Der Konkurrenzkampf führte später dann sogar so weit, dass die Fa. Kavan in Nürnberg (Kavan Jet-Ranger im Vertrieb Simprop, Entwurf Wilfried Biesterfeld, Vorläufer der Heim-Mechanik) gegen mich eine Klage wegen Patentverletzung anstrengte mit dem Versuch, mir die Produktion zu untersagen. (Er verlor die Klage)

Vielleicht sollte ich darüber doch mal ein Buch schreiben.
Das ist zwar alles alter Tobak aber es gibt doch viele, die sich dafür interessieren.

Ing. Dieter Schlüter
22.08.2000

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